Das Geheimnis der spanischen Mission – Gordon D. Shirreffs

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Das Geheimnis der spanischen Mission – Gordon D. Shirreffs

Rezension


Leseversion: HEYNE WESTERN TB Band 2269
Originaltitel: The Manhunter (1970)
Verlag: Heyne
Übersetzung: Richard Augustin
Veröffentlicht: 1971
Status: Erstauflage
Nachdruck: KELTER TOP WESTERN 9, SILBER WESTERN 1520 u.a.
Seiten: 144

Autor: Gordon D. Shirreffs
Realname: Gordon Donald Shirreffs

Galerie Fazit

Veröffentlicht: 31.10.2022

Rezension von Gottfried Marbler

Hintergrund

Was ist dem Heyne Verlag da eingefallen, den original 2. Roman der Kershaw-Reihe als die Nr. 1 zu veröffentlichen und den 1. Band erst als Nr. 2319 mit dem Titel Söldnergold für heißes Blei aufzulegen? Waren in dem Verlag desinteressierte Leute am Werk, denen so etwas egal war – oder handelte es sich um ein geschäftliches Kalkül? Wobei ich mir nicht vorstellen kann, was daran besonders geschäftlich sein sollte? Im Übrigen wird im hier zu besprechenden Roman auf den Seiten 18 und 19 (danach kurz an noch zwei Textstellen) explizit darauf eingegangen, dass Lee Kershaw im 1. Band auf die Querencia-Ranch in New Mexico zurückkehrt, dass er Chad Mercer jagen muss etc. Somit ist dies hier ganz klar der 2. Band der Lee-Kershaw-Reihe.

Inhalt

Lee Kershaw wird durch ein Angebot von 5 000 Dollar durch Don Luis Ortega erneut nach Sonora gerufen. Ein für ihn lebensgefährlicher Ritt, denn Rurales und Federales wäre es ein Vergnügen, ihn vor ein schnelles Standgericht zu stellen mit nur einem möglichen Urteil: sofortige Exekution! Der Erhalt seiner Ranch im Querencia Valley in New Mexico benötigt nun einmal viel Geld, das er aus den mickrigen Erträgen der Ranch nicht erwirtschaften kann. Bald nach der Grenze bei Nogales hat er das Gefühl, nicht der Jäger, sondern der Gejagte zu sein. Auf seinen Instinkt in solchen Fällen kann er sich stets verlassen. Sind ihm die Rurales bereits auf den Fersen? Mordlüsterne Apachen oder die noch gefährlicheren Yaquis? An einem Wasserloch dreht er den Spieß um und stößt auf einen Vertreter seiner „Zunft“: Starkey, ein vielleicht noch schnellerer Revolverschütze als er, Lee Kershaw. Und Starkey lauerte auf ihn mit einem Gewehr im Anschlag! Als Starkey eine Chance sieht, greift er zum Colt, wird von Lee in den Ellbogen geschossen – und schießt sich dadurch selbst ins Kinn und in weiterer Folge ins Gehirn. Lee findet 1 000 Dollar bei dem Toten, und ihm wird klar, dass es sich hierbei um einen Test von Luis Ortega handelt, um zu erfahren, wer von den beiden der geeignetere Mann für den zu vergebenden Auftrag wäre.

Von Don Luis Ortega bekommt er die Story um die verschwundene Kirche Santa Isabel zu hören. Sein Vater, sein Bruder und er hätten vor zwei Jahren diese Kirche gefunden. Sie hätten riesige Schätze von den 1767 aus dem Land vertriebenen Jesuiten in verrotteten Ledersäcken gesehen, die diese in der versteckt liegenden Kirche zurückließen, bewacht durch die Yaquis. In der Nacht wurden von den fünf anderen Begleitern sein Vater und sein Bruder getötet, er blieb schwer verletzt liegen, um den Martertod durch die Yaquis zu erleiden, wenn er bis dahin noch lebte. Die fünf Mörder nahmen je einen Teil vom derrotero, einer Wegekarte, mit, den sein Bruder noch gezeichnet hatte und den sie in gleiche Teile zerschnitten, sodass keiner allein nach dem Schatz suchen konnte. Der Weg, den die drei Männer Tage zuvor beschritten hatten, war nicht mehr zu finden! Hing das mit dem Fluch von El Maldeción de Isabel zusammen? Don Luis zeigt Lee noch ein paar Fotos, die er machte und auf denen die Kirche und im Basislager alle fünf Mörder gut zu sehen sind. Auch Luis Ortegas Frau, die die Schlimmste von den Verbrechern sein soll. Lee Kershaw solle nun diese Mörder suchen und jedem von ihnen dessen Teil vom derrotero abnehmen und danach alle zu ihm bringen. Weiter brauche er nichts zu tun, um seinen Vertrag zu erfüllen. Zuerst lehnt Lee Kershaw ab, denn ihm ist klar, dass diese gefährlichen Leute die Kartenteile nicht einfach so herausrücken würden. Dann überwiegt doch der Reiz des guten Geldes und er willigt ein. Don Luis machte ihm zudem klar, dass er im Falle einer Ablehnung das Rio-Bavispe-Tal nicht lebend verlassen werde, denn nun sei er Mitwisser und könnte ihn an die Mörderbande verraten, die vielleicht glaubte, er lebe längst nicht mehr. Einen der Killer kennt Lee sogar persönlich aus seiner Zeit in Mexiko; bei ihm wird er anfangen. Auf dem Weg zurück nach Nogales wird er Zeuge einer versuchten Vergewaltigung zweier Mexikaner an einem Yaqui-Halbblut. Er kann sie davor retten und die Kerle vertreiben. Nun hat er ein hübsches, aber unerschrockenes und auch hilfreiches Anhängsel bei sich, das sich mit den Yaquis sehr gut auskennt. In Nogales schafft er es, sich mit Calvin Vale darauf zu einigen, dass er ihm helfen soll, alle anderen fünf (!) Teile vom derrotero zu besorgen, um sich dann den Schatz zu holen. Lee ist am Schatz nicht interessiert, sondern an der Erfüllung seines Kontrakts. Nun weiß er, dass Don Luis Ortega ihn belog. Warum aber? Ist er der sechste Mörder, der den eigenen Vater und seinen Bruder ermorden half? Laut Vale sei Ortega der Schlimmste gewesen. Noch etwas fällt Lee Kershaw auf: Cal Vale ist hypernervös, fürchtet sich geradezu vor allem und jedem. Kershaw bringt dies mit dem Fluch von El Maldeción de Isabel in Verbindung, der auf diejenigen wirken soll, die den Schatz von Santa Isabel für sich behalten wollen. Es wird immer offensichtlicher, dass an dem Fluch mehr dran ist, als Lee selber wahrhaben möchte. In seinen Träumen wird auch er davon verfolgt, sobald er Teile vom derrotero in Händen hält. Denn der Fluch soll bewirken, dass alle eines gewaltsamen Todes sterben, die nicht vom Schatz ablassen wollen. Gilt der Fluch nun auch ihm?

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Lee Kershaw gelingt es – mit viel Glück! – am Leben zu bleiben, denn die fünf Killer sind mehr als gefährliche Leute. Vor allem Encarnación, die Exfrau Don Luis Ortegas, ist eine wahrhaft mörderische Frau. Auch Carl Duhr, ein riesenhafter Schweizer oder Deutscher, der beinahe grausamer als die Yaquis ist, landet in deren Händen. Sie rächen sich auf grausamste Weise an ihm für ein von ihm vor vielen Jahren begangenes Verbrechen an Bewohnern eines Yaqui-Dorfs. Es sterben schlussendlich alle Männer, die am Tod an den Schatzsuchern Schuld tragen, einen grausigen Tod, doch nur an einem ist Lee Kershaw indirekt beteiligt: Am Tod von Matias Arriola, dem Messerwerfer und Kunstschützen aus Spanien. Seine Partnerin Encarnación traf ihn zuvor mit zwei Kugeln. Er wäre an diesen Kugeln gestorben.

Nun reitet er mit der gefährlichen Exfrau Ortegas und den Kartenteilen an ihren damaligen Lagerplatz. Dort erhält er auch die beiden Teile von ihr und legt alle zusammen. Und wirklich: In der Mitte fehlt noch ein sechster Teil. Doch mit dieser Karte ist nichts anzufangen, denn sie zeigt zwar alle Geländeteile, aber alles ist verkehrt dargestellt. Nachts näht Lee alle Teile exakt zusammen, hebt die Karte ins Mondlicht, untersucht sie auf fehlerhafte Nahtstellen – und findet den Schlüssel zum Lesen der Karte! Bei durchscheinendem Licht ist alles richtig zu erkennen. Die zwei erreichen mit dem letzten Wasser tatsächlich die Kirche Santa Isabel. Während Lee Kershaw nach dem so nötigen Wasser sucht, findet Encarnación ein Loch in einer Mauer, hinter dem es golden glänzt und greift voller Habgier hinein. Eine aufgeschreckte Klapperschlange beißt in ihre Hand. Lee kann ihr nur noch seinen Colt geben, und sie erlöst sich selbst von ihren Qualen. Auch sie stirbt eines gewaltsamen Todes!

Lee Kershaw kehrt zurück aus den Pajarito Mountains, ohne einen einzigen Krümel des Schatzes mitgenommen zu haben. Er übergibt die Karte Don Luis Ortega, der das fehlende sechste Teil genau einpasst. Auch jetzt kann keiner die Karte lesen. Lee schweigt. Ortega übergibt sie einem Franziskanerpater und dessen Gehilfin, das Yaqui-Halbblut. Lee erfährt nun, dass damals die „Vergewaltigung“ nur gespielt war, denn die junge Frau und die „Vergewaltiger“ arbeiten für Don Luis. Sie hatte den Auftrag, den Manhunter zu überwachen und vor den Yaquis zu beschützen. Dass sie sich in den großen Mann verliebte, hatte Ortega nicht eingeplant. Der Pater soll die Karte vor allen unlauteren Zugriffen sicher verwahren, denn Don Luis Ortega ging es darum, die gefährlichen Kartenteile zu bekommen und die Mörder davon abzuhalten, den Schatz doch noch zu finden. Als Lee Kershaw mit dem Wechsel über 5 000 Dollar fortreiten will, folgt ihm der Pater ins Freie. Ihm teilt er als Einzigem mit, wie er die Karte lesen kann.

Die Einleitung zu Beginn des Romans im Jahre 1922 hat weiter nichts mit der Story zu tun, als dass der Autor höchstwahrscheinlich zeigen wollte, dass sich der Pater an den Ratschlag Lee Kershaws hielt. Der Pater selber hat es vielleicht versucht; es gibt ja ein größeres Loch in der Mauer zu den Schätzen dahinter, es wurde anscheinend jedoch nichts entwendet. Vielleicht teilte er seiner Kirche nicht mit, wie man den derrotero lesen kann, wissend, dass diese Kirchenoberen ihre gierigen Finger nicht von den Schätzen lassen würden. Oder er konnte es nicht, denn auch er wurde ein Opfer des Fluchs von El Maldeción de Isabel…

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Fazit

Lee Kershaw begibt sich in diesem Roman auf eine Schnitzeljagd im Westernmilieu. Dies wird vom Autor sehr gekonnt in Szene gesetzt. Keine Ahnung, wie weit der Fluch von “El Maldeción de Isabel” tatsächlich in Legenden und Sagen durch die Völker in den Pajarito Mountains und  in Sonora verbreitet wurde oder heutzutage noch erzählt wird – hinter vorgehaltener Hand, ehrfürchtig gesenktem Haupt, mit zum Boden gerichtetem Blick … Solche Legenden sind in der abergläubischen Landbevölkerung sehr beliebt, aber auch gefürchtet. Wahrscheinlich konnten die Priester durch gezieltes Streuen von derartigen Legenden die Ängste der armen Peónes schüren, um das Stehlen von Kirchenschätzen etwas hintanzuhalten. Immer wird es nicht funktioniert haben, denn für die kleinen und großen Revolutionen wurde auch viel Geld benötigt – davon hatten die mexikanischen Kirchenväter wohl nicht zu wenig.

Die Story ist ungemein gut erzählt und hält auch das eine oder andere Schauerelement parat, um den Mythos vom Fluch auf den Leser einwirken zu lassen. Von dem Fluch bleibt letztlich nicht allzu viel übrig, aber vom Autor wird gut herausgearbeitet, wie sehr alle unter der Furcht vor diesem Fluch leiden und dennoch nicht davon lassen, den Schatz der Jesuiten an sich raffen zu wollen. Ein bisschen ist diese Geschichte auch eine Parabel an die Gier so vieler Menschen, die beim Anblick von Gold oftmals verrückt werden und nicht an sich halten können. Um es zu bekommen, verüben viele grausamste Verbrechen! Diese Gier nach Gold und Reichtum gab es nicht nur in vorigen Jahrhunderten – sie ist allgegenwärtig. Die Menschheit ist seither nicht klüger geworden, wie man am heutigen Zustand unserer Mutter Erde leidvoll erkennen kann …

Ein dichter und fesselnder Schreibstil mit großer Intensität den Lesern serviert – und daher erneut die höchste Leseempfehlung von mir!

Gottfried Marbler, August 2022

 Bewertung

10 von 10 Revolverkugeln