Die letzte Patrone – Gordon D. Shirreffs
Rezension
Leseversion: HEYNE WESTERN TB Band 2422
Originaltitel: Renegade’s Trail (1974)
Verlag: Heyne
Übersetzung: Alfred Dunkel
Veröffentlicht: 1976
Status: Erstauflage
Nachdruck: SILBER WESTERN 1526, WESTERN-KING 485,
ZAUBERKREIS WESTERN TB 313
Seiten: 158
Autor: Gordon D. Shirreffs
Realname: Gordon Donald Shirreffs
Veröffentlicht: 02.11.2023
Rezension von Gottfried Marbler
Hintergrund
Der 4. Band der „Lee-Kershaw-Reihe“ ist der erste Roman, in dem seine heimatliche Ranch im Querencia Valley in New Mexico nicht einmal erwähnt wird. Ebenso erfährt der Leser nicht, ob die vorher dort lebenden Personen noch auf der Ranch sind, ob der alte Anselmo indes verstorben ist oder nicht, und was aus den Geschwistern Luscombe und dem Baby wurde. Wäre doch ganz nett gewesen ein, zwei Absätze oder zumindest ein, zwei Sätze darüber zu lesen, woher Kershaws Antrieb für seine gefahrvolle Arbeit kommt.
Inhalt
Lee Kershaw und Queho, ein Halbblut (eigentlich „Drittelblut“, weil Weißer, Indianer und Schwarzer) jagen den Paiute-Indianer Ahvote, der die Frau von Colonel William Felding aus deren bewachtem Soldatenlager entführte. Mildred Felding spielte bloß mit Ahvote, ließ ihn dies auch spüren. Ahvote will sie nun so lange vergewaltigen und demütigen, bis sie ihn anfleht, aufzuhören. Doch Kershaw bereitet diesem Plan ein vorzeitiges Ende, indem er ihn mit seinem Sharps-Gewehr mit deutschem Vollmer-Zielfernrohr erschießt. Queho schoss zuvor knapp daneben; Lee ist überzeugt, dass es seine Absicht war, Ahvote nicht zu treffen.
Auf der Fahrt mit dem Dampfer “Mohave” auf dem Colorado River hinunter nach Yuma ist die gerettete Frau total scharf auf Lee Kershaw. Er aber will mit ihr nichts zu tun haben, weiß er doch, dass sie ihren Mann mit jedem Kerl betrügt, den sie nur kriegen kann. Als Mildred in Kershaws Kabine schleicht, ahnt sie nicht, dass dieser Queho dort illegal einquartierte, denn Indianer dürfen in keiner Kabine übernachten. So kommt es zu einem Gerangel, das durch die Räusche der beiden Männer ausgelöst wird. Mildred schreit wie am Spieß, als sie das Halblut erkennt. Er fällt von Stockbett herunter und auf sie drauf. Ihr Negligé zerreißt und sie steht nackt und kreischend vor den beiden Männern. Ihr herbeigeeilter Mann will Queho umlegen, doch Lee schlägt die Waffe zur Seite – und so wird der Chefingenieur Anderson tödlich getroffen, sodass er über die Reling ins Wasser fällt. Felding schlägt Lee mit dem Revolver k. o. und drückt ihm die Mordwaffe in die Hand. Der Menschenjäger und das Halbblut landen nach einem fingierten Prozess für 20 Jahre im Staatsgefängnis von Yuma.
Queho gelingt nach Monaten die Flucht, die keiner bisher schaffte. Er will sich an Mildred Felding rächen und wird so zum kaltblütigen Mörder und Kidnapper. Aber er kennt sich im Grenzgebiet von Arizona, Nevada und Kalifornien hervorragend aus und hat dort auch ein Refugium vorbereitet, wo ihn niemand erreichen kann. Wenn doch, hat er alle Trümpfe in der Hand. In der gnadenlosen Hitze stürben die Jäger an unendlichem Durst, während er immer Wasser zur Verfügung hat. In der Kutsche sitzen noch die Nichte des Gouverneurs von Arizona und eine Prostituierte. Er nimmt alle drei Frauen mit, lässt den Kutscher am Leben, aber ohne Wasser. Der schreibt mit letzter Kraft noch den Namen „Queho“ in den Sand. Doch alle Aufgebote, die nun das Halbblut jagen, scheitern immer und immer wieder.
So kommt Lee Kershaw wieder ins Spiel, der zurzeit in Yuma in Dunkelhaft sitzt wegen des Fluchtversuchs, bei dem er zurückblieb, um Queho entkommen zu lassen. Der Direktor des berüchtigten Knasts macht ihm klar, dass er die noch ausständigen 19,5 Jahre niemals überleben wird. Nun bieten sie ihm einen besonderen Deal an: Er muss des Colonels Frau und die Nichte des Gouverneurs lebend zurückbringen, dann wird er rehabilitiert und kommt frei. Queho hingegen soll am besten nicht am Leben bleiben! Von der dritten Frau namens Amy erfährt er gar nichts, denn eine Hure passt nicht ins Bild der honorigen Herren!
Auch Lee Kershaw bekommt zu spüren, dass sein ehemaliger Partner ihm in dem Gebiet weit überlegen ist. Lee findet keine Möglichkeit, das Halbblut zu erwischen, geschweige denn, dass er herausfindet, wie er an dessen Versteck herankommen könnte. Der Manhunter muss sich eingestehen, dass es ihm vielleicht gar nicht gelingen kann, die Frauen zu retten – falls sie noch leben – und er wird wieder zurück ins Gefängnis wandern müssen! Aber Kershaw hat noch nie in seinem Leben aufgegeben, wenn Schwierigkeiten auftauchten, und so will er keinesfalls hier damit anfangen. Er hat bereits eine Idee im Hinterkopf …
GALERIE (5 Bilder)
Bild 01-02: Cover und Rückseite des Heyne Taschenbuchs
Bild 03-05: Nachdrucke des Romans im SILBER-WESTERN, WESTERN-KING und ZAUBERKREIS-WESTERN TB
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Fazit
Nach dem etwas schwächeren 3. Band der „Lee-Kershaw-Reihe“ verfasste der Autor hiermit wieder einen Top-Western, der alles bietet, was man sich für diese Reihe nur wünschen kann. Dazu noch einen tragischen Antagonisten, der von niemandem akzeptiert wird, hat er doch für alle wichtigen Rassen in den damaligen amerikanischen Territorien immer einen Blutanteil von zwei anderen Rassen in sich. Einzig Lee Kershaw akzeptiert ihn so, wie er ist als Mann, als Mensch. Nun aber muss er ihn jagen, will er nicht im Gefängnis von Yuma verrotten. Beide Männer wissen, dass es nur einen geben kann, der am Leben bleibt – und nicht einmal das ist wirklich sicher.
So lässt der beliebte Autor eine Parforcejagd vor dem Leser abrollen, die seinesgleichen sucht, denn was da alles aufgeboten wird, hat wirklich Klasse. Sicher gibt es auch die eine oder andere Unmöglichkeit, wie gewisse Situationen gemeistert werden, aber aufgrund der spannenden Handlung liest man gerne darüber hinweg. Und diesmal passt der deutsche Titel perfekt, denn es ist tatsächlich die letzte Patrone für die Sharps, die alles beendet.
Den Lesern wird dichter und fesselnder Schreibstil serviert, mit enormer Spannung und guter Beschreibung der einzelnen Charaktere. Daher von mir die höchste Leseempfehlung!
Gottfried Marbler, Oktober 2022
Bewertung