Späte Rache – Matt Braun
Rezension
Leseversion: HEYNE WESTERN TB Band 2501
Originaltitel: Buck Colter (1975)
Verlag: Heyne
Übersetzung: Alfred Dunkel
Veröffentlicht: 1978
Status: Erstauflage
Nachdruck: –
Seiten: 126
Autor: Matt Braun
Realname: Matthew Braun
Veröffentlicht: 17.01.2025
Rezension von Gottfried Marbler
Hintergrund
Dieser Roman legt ein eindrucksvolles Zeugnis davon ab, wie in den ach so freien USA der Individualismus immer mehr eingeschränkt, ja richtiggehend unterdrückt wurde. Nicht vom Staat selber, sondern von der Macht des Geldes, welche die immer reicher und dadurch (über)mächtig werdenden Vereinigungen – hier die (fiktive?) Western Cattlemen Association – ausübten. Wer sich ihnen nicht unterordnet, wird mit allen legalen und illegalen Mitteln fertiggemacht, denn in Wahrheit regiert nur das Geld die Welt!
Inhalt
Buck Colter und Emmet Hungate reiten für die große XL-Ranch im Niemandsland zwischen Texas und Kansas an den vielen texanischen Treibherden herum und sondern anhand der Brandzeichen mitwandernde Rinder ihres Ranchers und der anderen umliegenden Rancher aus. Buck Colter ist der beste Mann für diese gefährliche Arbeit, denn er muss mit seinem Pferd auch zwischen die Longhorns hinein, um das entsprechende Rind vorsichtig aus dem Pulk herauszudrängen. Er ist dabei so geschickt, dass er das Wohlwollen der Rancher in kurzer Zeit genießt und von Ed Overton, einem Nachbarn der XL-Ranch, ein kleines Stück Land geschenkt bekommt. Dass dieser ihn als Puffer zwischen dem machthungrigen Besitzer der XL, John M. Covington, und seiner Ranch hin setzt, weiß Colter genau, aber das macht ihm nichts aus, denn er will insgeheim an Covington Rache üben. Covington war nämlich 1864 Colonel der Truppen, die das Southern Cheyenne-Lager von Häuptling Black Kettle warnungslos überfielen und vor allem Alte, Frauen und Kinder gnadenlos niedermachten. Buck Colter war als ein Halbblutjunge einer der wenigen Überlebenden, der aber die brutale Vergewaltigung und den grausamen Tod seiner Mutter mit ansehen musste. Colter will den Hauptschuldigen nicht einfach über den Haufen schießen, sondern mittels der Gesetze der Weißen selbst zur Strecke bringen. Darum kauft er auch immer wieder ein paar schwache Rinder zu billigsten Preisen den Treibherdenführern ab, obwohl dies den von der Western Cattlemen Association angestellten Cowboys streng untersagt ist. Aber Colter will dadurch ein ungesetzliches Vorgehen Covingtons erzwingen, um ihn dann vor Gericht zu zerren.
Dann schlägt seine große Stunde. Ein Rancher hinter dem Pecos in New Mexico muss seine Rinder billigst hergeben, weil es in seinem Weideland seit drei Jahren nicht mehr regnete. So hilft ihm Ed Overton beim Kauf von 1.000 Rindern, kauft selbst auch 2.000 Rinder, die sie dann mit ihren Brandzeichen versehen und an einen Viehaufkäufer der Regierung verkaufen, der für die Indianer der Pine Ridge-Reservation tätig ist. Buck Colter rechnet nun mit einem Eingreifen John M. Covingtons, aber der Rancher bleibt merkwürdig untätig. Nur an der Verladestation in Meade, Kansas, bemerken die beiden Rancher, dass sich Covington mit einem zwielichtigen Mann trifft, der alles genau betrachtet und auch im Zug mitfährt. Beim Zielbahnhof in Valentine, Nebraska, kommt noch ein Mann hinzu, der dem anderen ein Telegramm übergibt. Weiter tun sie nichts außer beim Ausladen der Rinder zuzusehen und gelegentlich Eintragungen in ein Notizbuch zu machen.
Colter ahnt indes, dass diese beiden zur Association gehören, deren Hauptsitz in Denver ist. Das bestätigt sich bei seiner Rückkehr nach Meade, denn der dortige Sheriff übergibt ihm eine Anklageschrift wegen Viehdiebstahls, die er und Ed Overton begangen hätten. Bei der anderntags stattfindenden Anhörung durch einen Richter lernt er erstmals die wahre Macht der Western Cattlemen Association kennen: Der Richter und die Jury-Mitglieder sind alle gekauft und sprechen die beiden Rancher wider besseres Wissen schuldig. Desgleichen zwei Wochen später bei der Hauptverhandlung. Ed Overton ließ sich einen gewieften Anwalt kommen, doch für die Association tritt ein Ankläger auf, der noch keinen Prozess verlor. Diesmal ist es nicht anders. Obwohl die beiden Beschuldigten stichhaltigste Beweise und schriftliche Aussagen für ihre Unschuld vorlegen können, obwohl ihr Anwalt praktisch alle Anschuldigungen gegen seine Mandanten widerlegen kann, spricht die Jury sie in allen Anklagepunkten für schuldig! Am nächsten Tag soll ihnen das Strafmaß vom gekauften Richter verkündet werden, das bis zu 30 Jahre betragen soll, weil die Association ein Exempel statuieren will, um weiteren Kleinranchern den Wind aus den Segeln zu nehmen. Doch Buck Colter hat den Glauben an die Gerechtigkeit der Weißen komplett verloren und flieht mithilfe Emmet Hungates, der jedoch bei der Flucht vom Pferd geschossen wird.
Buck Colter ist nun zum Gesetzlosen geworden, weil die Macht der Western Cattlemen Association doch viel größer ist als das geschriebene Gesetz. Jetzt ist er bereit, John M. Covington zu erschießen, dessen hämisch grinsendes Gesicht während und nach der Verhandlung er nicht vergessen kann. Colter besucht in Kansas City den Mann, der ihn beim Verladen und Entladen beobachtete, um ihn zu einer schriftlichen Aussageänderung zu bewegen. Doch das geht schief: Der Mann wehrt sich, und Colter erschießt ihn in Notwehr, wird aber auch verwundet. Ab nun wird er sogar als Mörder steckbrieflich gesucht und hat keine Chance mehr, jemals auf seine kleine Ranch zurückzukehren. Er hat nur noch ein Ziel: Covington zu töten, um ihn für alles Böse, das er tat, dafür mit seinem Leben bezahlen zu lassen. Er weiß aber nicht, dass die Association noch mehr in petto hat. Sie schickt einen der tödlichsten Killer des Westens zur XL-Ranch, um Buck Colter endgültig zu erledigen.
Ist Buck Colter somit komplett gescheitert und kann er seine Rache nicht mehr vollziehen? Hat er 3 Jahre umsonst zugewartet, seit er feststellte, dass Covington der Boss der XL-Ranch ist und er ihn auch hundertprozentig wiedererkannte?
Detail am Rande
Der Anführer der Truppen am 29. November 1864 hieß Colonel John Milton Chivington; die kleine Namensänderung durch das „o“ in der ersten Silbe hängt wohl mit dem speziellen Klagerecht in den Vereinigten Staaten zusammen. Der historische John M. Chivington wurde auch nicht das Opfer einer vollzogenen Rache.
GALERIE (2 Bilder)
Bild 01-02: Cover und Rückseite des Heyne Taschenbuchs
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Fazit
Ein sehr gut verfasster Roman, der zwar relativ langsam in die Gänge kommt, aber durch die Schilderung der grausamen Vorgänge beim Sand-Creek-Massaker – die der Autor in die Erinnerungen Buck Colters einpflegt – eine tragische Grundnote erhält. Der Zorn und die Rachegelüste Colters auf Covington sind dadurch nur allzu verständlich. Doch eigentlich geht es dem Autor meines Erachtens wohl mehr um das Aufzeigen der Macht verschiedenster Trusts in den USA, die schon im Ausklang des Wilden Westens sich entwickelten, speziell bei Bahngesellschaften und eben Rancher-Vereinigungen. Bekannteste Beispiele: Lincoln County-Krieg (Billy the Kid) und Johnson County-Krieg (Tom Horn). Bedrückend dargestellt wird die Käuflichkeit der Rechtsprechung durch die Association, wodurch das Recht im Allgemeinen ad absurdum geführt wird. Dass das einzelne Individuum dagegen kaum ankommt, ist die eigentliche Tragik eines solchen Rechtsystems.
Wenn in diesem Roman der tragische Held seine Rache dennoch vollziehen kann, so darf dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass so etwas in Wirklichkeit wohl eher selten vorkam beziehungsweise vorkommt.
Mitreißender Schreibstil, vermischt mit spannender Handlung, die den Leser am Ende auch betroffen und eventuell sogar wütend zurücklässt ob der Hoffnungslosigkeit, wie mit (einzelnen) unliebsamen Personen umgegangen werden kann.
Unbedingte Leseempfehlung!
Gottfried Marbler, Dezember 2023
Bewertung